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Dallin H. Oaks

Die Schlüssel und die Vollmacht des Priestertums

Dallin H. Oaks

 

 

April 2014

I.

Bei dieser Konferenz haben wir miterlebt, wie einige treue Brüder entlassen wurden, und wir haben andere in ihrer Berufung bestätigt. Bei diesem Wechsel, der uns in der Kirche ja vertraut ist, „treten“ wir nicht „ab“, wenn wir entlassen werden, und wir „steigen“ nicht „auf“, wenn wir berufen werden. Es gibt kein „Auf oder Ab“ im Dienst des Herrn. Es gibt nur ein „Vorwärts oder Rückwärts“. Und das hängt davon ab, wie wir mit Entlassungen und Berufungen umgehen. Einmal hatte ich den Vorsitz bei der Entlassung eines jungen Pfahlpräsidenten, der neun Jahre lang treu gedient hatte und sich nun über seine Entlassung und die neue Berufung freute, die er und seine Frau gerade erhalten hatten. Sie waren als Kindergartenbeauftragte ihrer Gemeinde berufen worden. Nur in dieser Kirche wird so etwas als genauso verdienstvoll angesehen!

 

II.

Bei einer Frauenkonferenz sagte Linda K. Burton, die Präsidentin der Frauenhilfsvereinigung: „Wir hoffen, dass wir alle von einem größeren Verlangen durchdrungen werden, das Priestertum besser zu verstehen.“1 Wir alle sollten dieses Verlangen haben, und ich möchte dem nachkommen, indem ich über die Schlüssel und die Vollmacht des Priestertums spreche. Da diese beiden Themen Männer und Frauen gleichermaßen betreffen, bin ich froh, dass diese Versammlung übertragen wird und die Ansprachen für alle Mitglieder niedergeschrieben werden. Die Macht des Priestertums ist ein Segen für uns alle. Durch die Schlüssel des Priestertums wird Frauen ebenso wie Männern Führung zuteil, und sowohl die heiligen Handlungen als auch die Vollmacht des Priestertums gelten für Frauen und Männer gleichermaßen.

 

III.

Präsident Joseph F. Smith beschrieb das Priestertum als „die Kraft Gottes, die dem Menschen übertragen wurde und ihn befähigt, hier auf der Erde zur Errettung der Menschheit zu wirken“2. Andere Führer der Kirche haben erklärt, das Priestertum sei „die höchste Macht auf dieser Erde. Es ist die Macht, mit der die Erde … erschaffen wurde.“3 In den Schriften steht: „Nun wird dieses selbe Priestertum, das am Anfang war, auch am Ende der Welt sein.“ (Mose 6:7.) Das Priestertum ist somit die Macht, durch die wir vom Tod auferweckt werden und zum ewigen Leben gelangen.

 

Das Verständnis, das wir anstreben, beginnt mit einem Verständnis der Schlüssel des Priestertums. „Die Schlüssel des Priestertums sind die Vollmacht, die Gott den Priestertums[trägern] gibt, um die Ausübung seines Priestertums auf Erden zu lenken, zu beaufsichtigen und zu regeln.“4 Jede Handlung und Verordnung, die in der Kirche vollzogen wird, wird mit der direkten oder indirekten Bevollmächtigung desjenigen ausgeführt, der für diese Funktion die Schlüssel innehat. Elder M. Russell Ballard hat erklärt: „Diejenigen, die Priestertumsschlüssel innehaben[,] ermöglichen es buchstäblich allen, die unter ihrer Leitung treu dienen und arbeiten, Priestertumsvollmacht auszuüben und auf die Macht des Priestertums zuzugreifen.“5

 

Was die Aufsicht über die Ausübung der Priestertumsvollmacht betrifft, haben die Schlüssel sowohl eine erweiternde als auch eine einschränkende Funktion. Die Erweiterung ermöglicht es allen Kindern Gottes, aus der Vollmacht und den Segnungen des Priestertums Nutzen zu ziehen. Die Einschränkung bezieht sich darauf, wer die Vollmacht des Priestertums erhalten soll, wer ein Amt darin innehaben darf und wie die Rechte und Mächte übertragen werden. Beispielsweise kann jemand, der das Priestertum trägt, sein Amt oder seine Vollmacht nicht auf jemand anders übertragen, außer er wird dazu durch jemanden, der die Schlüssel innehat, bevollmächtigt. Ohne diese Bevollmächtigung wäre die Ordinierung ungültig. Damit wird erklärt, weshalb ein Priestertumsträger – unabhängig von seinem Amt – niemanden aus seiner Familie ordinieren darf oder bei sich zu Hause das Abendmahl austeilen kann, wenn er nicht von demjenigen, der die entsprechenden Schlüssel trägt, dazu bevollmächtigt worden ist.

 

Mit Ausnahme der heiligen Aufgaben, die die Schwestern unter den Schlüsseln des Tempelpräsidenten im Tempel vollziehen und auf die ich gleich noch eingehen werde, kann nur jemand, der ein Amt im Priestertum innehat, eine heilige Handlung des Priestertums vollziehen. Alle genehmigten Handlungen des Priestertums werden in den Aufzeichnungen der Kirche festgehalten.

 

Letztendlich hält der Herr Jesus Christus – dessen Priestertum dies ja ist – alle Schlüssel des Priestertums. Er bestimmt, welche Schlüssel den Menschen übertragen und wie diese genutzt werden dürfen. Wir nehmen oft an, dass Joseph Smith im Kirtland-Tempel sämtliche Schlüssel des Priestertums übertragen wurden, doch in den Schriften heißt es, dass lediglich „die Schlüssel dieser Evangeliumszeit“ übertragen wurden (LuB 110:16). Bei einer Generalkonferenz wies uns Präsident Spencer W. Kimball vor vielen Jahren darauf hin, dass es weitere Priestertumsschlüssel gibt, die den Menschen auf der Erde nicht anvertraut worden sind, darunter der Schlüssel der Schöpfung und der der Auferstehung.6

 

Aufgrund der göttlichen Beschaffenheit der Einschränkungen bei der Ausübung der Priestertumsschlüssel gibt es einen wesentlichen Unterschied zwischen Entscheidungen in Bezug auf die Verwaltung der Kirche und Entscheidungen in Bezug auf das Priestertum. Die Erste Präsidentschaft und der Rat der Ersten Präsidentschaft und des Kollegiums der Zwölf Apostel, die über die Kirche präsidieren, sind befugt, viele Entscheidungen zu fällen, die die Richtlinien und Bestimmungen der Kirche betreffen, etwa Angelegenheiten wie den Standort von Gebäuden der Kirche oder das Alter für den Missionsdienst. Zwar haben diese präsidierenden Autoritäten sämtliche Schlüssel inne, die uns in dieser Evangeliumszeit übertragen sind, und üben sie aus, doch es steht ihnen nicht frei, das von Gott festgelegte Muster zu ändern, dass nur Männer ein Amt im Priestertum bekleiden.

 

IV.

Nun komme ich zum Thema Priestertumsvollmacht. Ich beginne mit den drei soeben erörterten Grundsätzen: 1.) Das Priestertum ist die dem Menschen übertragene Macht Gottes, die ihn befähigt, zur Errettung der Menschheit zu wirken, 2.) die Priestertumsvollmacht wird auf Weisung derer ausgeübt, die Schlüssel des Priestertums innehaben, 3.) da es in den Schriften heißt, dass „alle anderen Vollmachten [und] Ämter … Beigaben [zum Melchisedekischen] Priestertum“ sind (LuB 107:5), wird alles, was in Ausübung dieser Priestertumsschlüssel getan wird, mit der Vollmacht des Priestertums getan.

 

Was hat das nun mit den Frauen zu tun? In einer Ansprache an die FHV sagte Präsident Joseph Fielding Smith, der zu diesem Zeitpunkt Präsident des Kollegiums der Zwölf Apostel war: „Die Schwestern haben zwar nicht das Priestertum, es ist ihnen nicht übertragen worden, das bedeutet aber nicht, dass der Herr ihnen keine Vollmacht gegeben hat. … Man kann in der Kirche Vollmacht erhalten, bestimmte Handlungen durchzuführen, die bindend und für unsere Erlösung absolut notwendig sind, wie etwa die Aufgaben, die unsere Schwestern im Haus des Herrn verrichten. Sie haben die Vollmacht erhalten, einige großartige und wunderbare Handlungen durchzuführen, die dem Herrn heilig sind und ebenso bindend wie die Segnungen, die von einem Mann stammen, der das Priestertum trägt.“7

 

In dieser bemerkenswerten Ansprache wiederholte Präsident Smith immer wieder, dass auch Frauen Vollmacht erhalten haben. Zu den Frauen sagte er: „Sie können mit Vollmacht sprechen, denn der Herr hat Ihnen Vollmacht übertragen.“ Er sagte auch, dass die FHV „Macht und Vollmacht erhalten [habe], viel Großartiges zu bewirken. Die Arbeit, die sie verrichtet, geschieht mit göttlicher Vollmacht.“ Und das, was Mann und Frau in der Kirche leisten, ob nun im Tempel oder in der Gemeinde oder im Zweig, wird natürlich auf Weisung derjenigen durchgeführt, die die Schlüssel des Priestertums innehaben. Präsident Smith erklärte in Bezug auf die FHV: „[Der Herr] hat ihnen diese wunderbare Vereinigung gegeben, in der sie die Vollmacht haben, auf Weisung des Bischofs der Gemeinde … zu dienen und sich um das geistige und zeitliche Wohl unserer Mitglieder zu bemühen.“8

Daher wurde zu Recht gesagt, dass die FHV nicht nur eine Klasse für Frauen ist, sondern dass die Frauen der FHV angehören – einer von Gott eingerichteten Beigabe zum Priestertum.9

 

Wir sind es nicht gewohnt, davon zu sprechen, dass Frauen in ihren Berufungen die Vollmacht des Priestertums haben, aber welche Vollmacht sollte es sonst sein? Wenn eine Frau – jung oder alt – eingesetzt wird, als Vollzeitmissionarin das Evangelium zu verkünden, empfängt sie Priestertumsvollmacht zur Erfüllung einer Priestertumsaufgabe. Dasselbe gilt, wenn eine Frau auf Weisung desjenigen, der die Priestertumsschlüssel trägt, als Leiterin oder Lehrerin in einer Organisation der Kirche eingesetzt wird. Wer auch immer in einem Amt oder in einer Berufung tätig ist, die er von jemandem erhält, der Priestertumsschlüssel innehat, übt bei der Ausführung seiner Aufgaben Priestertumsvollmacht aus.

 

Wer Priestertumsvollmacht ausübt, sollte zurückstellen, welche Rechte er hat, und sich darauf besinnen, welche Aufgaben er zu erfüllen hat. Dies ist ein Grundsatz, der in der ganzen Gesellschaft Beachtung finden sollte. Dem berühmten russischen Schriftsteller Alexander Solschenizyn wird diese Aussage zugeschrieben: „Es ist an der Zeit, dass wir uns weniger für die Rechte des Menschen einsetzen und mehr für dessen Pflichten.“10 Die Heiligen der Letzten Tage erkennen gewiss, dass man nicht deswegen der Erhöhung würdig wird, weil man Rechte beansprucht, sondern weil man seine Aufgaben erfüllt.

 

V.

Der Herr hat angeordnet, dass nur Männer zu einem Amt im Priestertum ordiniert werden. Doch wie schon verschiedene Führer der Kirche betont haben, verkörpern Männer nicht „das Priestertum“11. Männer tragen das Priestertum mit einer heiligen Verpflichtung, es zum Segen aller Kinder Gottes auszuüben.

Die größte Macht, die Gott seinen Söhnen gegeben hat, kann nicht ohne die Partnerschaft mit einer seiner Töchter ausgeübt werden, denn nur seinen Töchtern hat er die Macht verliehen, „Schöpferin von Körpern zu sein, damit die Absichten Gottes und der große Plan zustande gebracht werden können“12. Dies sind die Worte Präsident J. Reuben Clarks.

 

Er fuhr fort: „Dies ist die Stellung unserer Frauen und Mütter im ewigen Plan. Sie sind keine Priestertumsträger. Es obliegt ihnen nicht, die Pflichten und Funktionen des Priestertums auszuführen. Auch sind ihnen nicht die Aufgaben darin aufgebürdet. Vielmehr erbauen und organisieren sie unter dessen Macht, haben an dessen Segnungen teil, besitzen das, was die Kräfte des Priestertums ergänzt, und haben eine Aufgabe, die ebenso von göttlicher Bestimmung und ewiger Bedeutung ist wie das Priestertum selbst.“13

 

Mit diesen inspirierten Worten meinte Präsident Clark die Familie. Wie es in der Proklamation zur Familie heißt, präsidiert der Vater über die Familie. Er und die Mutter haben unterschiedliche Aufgaben, aber sie „müssen einander in diesen heiligen Aufgaben als gleichwertige Partner zur Seite stehen“14. Einige Jahre vor der Proklamation zur Familie erklärte Präsident Spencer W. Kimball inspiriert: „Wenn wir die Ehe als Partnerschaft betrachten, so meinen wir eine vollwertige Partnerschaft. Wir wollen nicht, dass die Frauen in der Kirche bei dieser Aufgabe, die in die Ewigkeit hineinwirkt, stille Partner oder nur halbe Partner sind! Bitte seien Sie einekonstruktive und vollwertige Partnerin.“15

 

In den Augen Gottes sind Frauen und Männer in der Kirche und in der Familie gleichwertig, haben aber unterschiedliche Aufgabenbereiche.

 

Ich schließe mit einigen Wahrheiten über die Segnungen des Priestertums. Anders als die Priestertumsschlüssel und die Ordinierung zum Priestertum sind die Segnungen des Priestertums Frauen und Männern zu denselben Bedingungen zugänglich. Diese Wahrheit lässt sich gut anhand der Gabe des Heiligen Geistes und der Segnungen des Tempels aufzeigen.

 

Bei einem aufschlussreichen Vortrag im Rahmen der Bildungswoche der BYU hat Elder M. Russell Ballard gesagt:

 

„Die Lehre der Kirche besagt, dass Mann und Frau gleichwertig und doch verschieden sind. Gott betrachtet weder das eine noch das andere Geschlecht als besser oder wichtiger. …

Männer und Frauen, die in den Tempel gehen, werden dort mit der gleichen Macht ausgestattet, nämlich der Macht des Priestertums. … Alle Kinder Gottes [können] auf die Macht und die Segnungen des Priestertums zugreifen.“16

 

Ich gebe Zeugnis von der Macht und den Segnungen des Priestertums Gottes, die seinen Söhnen und seinen Töchtern gleichermaßen zur Verfügung stehen. Ich gebe Zeugnis von der Vollmacht des Priestertums, die in allen Ämtern und Aufgaben der Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage wirkt. Ich gebe Zeugnis von der von Gott angeordneten Funktion der Schlüssel des Priestertums, die unser Prophet und Präsident, Thomas S. Monson, in ihrer Fülle innehat und ausübt. Und schließlich, was am wichtigsten ist, gebe ich Zeugnis von unserem Herrn und Erlöser, Jesus Christus, dessen Priestertum dies ist und dessen Diener wir sind. Im Namen Jesu Christi. Amen. 

 

 

1. Linda K. Burton, „Priesthood: ‚A Sacred Trust to Be Used for the Benefit of Men, Women, and Children‘“ (Ansprache anlässlich der Frauenkonferenz an der Brigham-Young-Universität am 3. Mai 2013),ce.byu.edu/cw/womensconference/transcripts.php 

2. Joseph F. Smith, Gospel Doctrine, 5. Auflage, 1939, Seite 139

3. Boyd K. Packer, „Die Macht des Priestertums in der Familie“, weltweite Führerschaftsschulung vom Februar 2012; lds.org/broadcasts; siehe auch James E. Faust, „Die Macht des Priestertums“, Der Stern, Juli 1997, Seite 41ff.

4. Handbuch 2: Die Kirche führen und verwalten, Abschnitt 2.1.1

5. M. Russell Ballard, „Mann und Frau im Werk des Herrn“, Liahona, April 2014, Seite 48; siehe auch Die Töchter in meinem Reich: Die Geschichte und das Werk der Frauenhilfsvereinigung, Seite 154f.

6. Siehe Spencer W. Kimball, „Our Great Potential“, Ensign, Mai 1977, Seite 49

7. Joseph Fielding Smith, „Relief Society – an Aid to the Priesthood“,Relief Society Magazine, Januar 1959, Seite 4

8. Joseph Fielding Smith, „Relief Society – an Aid to the Priesthood“, Seite 4f.; siehe auch Lehren der Präsidenten der Kirche: Joseph Fielding Smith, Seite 330

9. Siehe Boyd K. Packer, „Die FHV“, Der Stern, Juli 1998, Seite 81–85; siehe auch Die Töchter in meinem Reich, Seite 154f.

10. Alexander Solschenizyn, „A World Split Apart“ (Semesterauftaktrede an der Harvard-Universität, 8. Juni 1978); siehe auch Patricia T. Holland, „A Woman’s Perspective on the Priesthood“, Ensign, Juli 1980, Seite 25; Dallin H. Oaks, „Rights and Responsibilities“, Mercer Law Review, Bd. 36, Nr. 2 (Winter 1985), Seite 427–442

11. Siehe James E. Faust, „Sie schickt der Himmel“, Liahona, November 2002, Seite 110; M. Russell Ballard, „Dies ist mein Werk und meine Herrlichkeit“, Liahona, Mai 2013, Seite 19; Dallin H. Oaks, „Priestertumsvollmacht in der Familie und in der Kirche“, Liahona, November 2005, Seite 26. Manchmal bezeichnen wir die Frauenhilfsvereinigung als „Partner des Priestertums“. Korrekter wäre es zu sagen, dass im Werk des Herrn die Frauenhilfsvereinigung und die Frauen der Kirche „Partnerinnen der Träger des Priestertums“ sind.

12. J. Reuben Clark, „Our Wives and Our Mothers in the Eternal Plan“,Relief Society Magazine, Dezember 1946, Seite 800

13. J. Reuben Clark Jr., „Our Wives and Our Mothers“, Seite 801

14. „Die Familie – eine Proklamation an die Welt“, Liahona, November 2010, Umschlagrückseite

15. Spencer W. Kimball, „Privileges and Responsibilities of Sisters“,Ensign, November 1978, Seite 106

16. M. Russell Ballard, Liahona, April 2014, Seite 48; siehe auch die wertvolle Erörterung der hierin genannten Lehren von Sheri L. Dew inWomen and the Priesthood, 2013, insbesondere Kapitel 6

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