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"Absolute Wahrheit" oder "Wie wir uns auf unserer Suche nach Wahrheit gelegentlich se


Dies ist eine leicht abgewandelte Version eines Briefs an Mitglieder der Kirche die über Zweifel an ihren Glauben gestolpert sind. In dieser allgemeinen Form ist es an alle gerichtet, die Wahrheit suchen, Zweifel haben oder einfach beide “Seiten” etwas besser verstehen möchten. Besonders sind aber diejenigen angesprochen, die sich aufgrund ihrer Zweifel von der Kirche abwenden wollen oder dies bereits getan haben.

Liebe Suchende,

Ich werde nicht so vermessen sein euch zu sagen, dass ich Recht habe und ihr Unrecht. Ich werde mir nicht anmaßen, euch zu sagen, was ihr tun sollt und was nicht. Ich möchte euch lediglich meinen Standpunkt und meine Erfahrungen weitergeben, mit der Absicht Streitigkeiten und Missverständnissen aus dem Weg zu gehen.

Wie und warum ihr eure Entscheidungen getroffen habt, kann ich nicht beurteilen und darf ich nicht bewerten, doch vielleicht interessiert es euch, wie ich an die Sache herangegangen bin.

Die Fragen und Zweifel, welche euch in der letzten Zeit vermutlich begegnet sind, habt ihr nicht als Erste und auch nicht als Letzte entdeckt. Zu behaupten, ich hätte alle Antworten auf eure Fragen wäre wiederum Überheblichkeit und entspräche wahrscheinlich nicht der Wahrheit. Schließlich kenne ich noch nicht einmal alle eure Fragen.

Ich kann also nur von mir ausgehen und mit Gewissheit sagen, dass ich nichts weiß. Auf einige meiner Fragen habe ich jedoch Antworten erhalten.

Wenn ihr möchtet, können wir uns in einer ruhigen Minute über diese “Antworten” unterhalten. Ich möchte aber in diesem Brief etwas viel Grundlegenderes diskutieren.

Erstens, wenn man Antworten sucht, dann neigt man dazu die Antwort zu finden, die man hören möchte. Dies schließt mich ein, es betrifft alle Menschen, denn so funktionieren unsere natürlichen Verhaltensmechanismen, die wir zu gern leugnen und ungern eingestehen.

Die Wahrheit zu finden ist unlängst schwerer und dank soeben genannter Mechanismen werden wir sie nicht erkennen, geschweige denn annehmen, wenn uns die damit einhergehende Antwort nicht gefällt.

Es liegt in unserer Natur (egal ob in religiöser, wissenschaftlicher oder allgemeiner Hinsicht) Muster zu sehen und selektive Relevanz bestimmten Fakten beizumessen, die uns und unserer Ansichten bestätigen. Vermeintliche Beweise für oder gegen einen Sachverhalt werden von den jeweiligen Seiten nur zu gern akzeptiert, während Unstimmigkeiten und Ungereimtheiten nur zu gern ignoriert werden (confirmation bias - „Wahrnehmungsfehler“ [hatte hier erst fälschlicherweise cognitive bias stehen, danke für den Hinweis Olli]).

Es liegt daran, dass die Wahrheit, nicht immer dem entspricht, was wir dafür halten und in den seltensten Fällen bequem für uns ist. Dieser Tatsache fallen Befürworter, wie Kritiker allzu häufig zum Opfer. Unsere Meinung zu ändern, unser zusammen geschustertes Weltbild zu korrigieren und Verhaltensmuster anzupassen, ist für niemanden einfach.

Da wir in diesem konkreten Fall über das Evangelium sprechen, kann ich euch von einigen Erfahrungen auf meiner Mission berichten.

Wir hatten nicht wenige Untersucher die voller Enthusiasmus alles aufsogen, was wir ihnen als Missionare erzählten. Sie nahmen alles mit Freuden an, stimmten den Lehren von ganzem Herzen zu und berichteten von einem Gefühl, dass sie noch nie zuvor in ihrem Leben gespürt haben… Bis zu dem Augenblick, als sie selbst oder ihre Freunde oder ihre Familie im Internet auf Antimormonenliteratur stießen. Der Geist verließ sie, die Freude verschwand und Zweifel machten sich breit.

Egal, wie sehr wir sie auf den Unterschied hinwiesen, was sie verspürten, während wir sie belehrt hatten und während sie sich mit den “wohlwollenden Widerlegungen” aus dem Internet beschäftigt hatten. Egal, ob wir jede Frage beantworten, jeder Widerlegung widerlegen konnten (und glaubt mir, wir haben uns die Mühe gemacht alles zu beantworten und nicht mit den Schultern gezuckt) kam es oft genug vor, dass die Antworten nicht gehört werden wollten.

Die Gründe waren verschieden, doch meist lief es darauf hinaus, dass ein persönliches Glaubensgeflecht hätte neu geflochten, Angewohnheiten abgelegt oder Freunden und Verwandten, etwas Peinliches hätte erklärt werden müssen. Die unbequeme Wahrheit hätte persönliche und soziale Veränderungen bedeutet, einhergehend mit Beleidigungen und Häme aus dem Kreise von Menschen, die ihnen nahe standen.

Joseph Smith lehrte, dass „eine Religion, die nicht verlangt, dass man alles opfert, niemals genügend Macht hat, um den Glauben hervorzubringen, der zum Leben und zur Errettung notwendig ist“. Damit sind nicht nur diejenigen gemeint, die sich dem Evangelium anschließen, sondern auch Mitglieder, die ihre Anschauungen und Meinungen für die uneingeschränkte Wahrheit halten.

So traf ich Mitglieder, welche Irrlehren und Vermutungen in ihr persönliches Credo integriert hatten, nur um bei einer zwangsläufigen Korrektur oder Widerlegung eben jener sich selbst zurechtgelegten Antworten, das Evangelium verwarfen.

Ich selbst muss immer für möglich halten, mich zu irren. Jede meiner Taten und Überzeugungen muss ich kritisch hinterfragen. Die Erkenntnisse, welche ich aus mir heraus gewinnen kann, unterliegen meiner subjektiven Vernunft. Objektive Vernunft (oder absolute Vernunft, wie Hegel sie nennt) ruht per Definition nur in Gott und daher ist er die einzige Quelle und letzte Autorität, die (wieder per Definition) nicht hinterfragt werden muss, geschweige denn kann.

Der begrenzte Spielraum des Erkenntnisgewinns ohne Gott führt mich zu meinem Zweiten Punkt.

Befürworter und Gegner der Kirche können sich über doktrinäre und historische Ungereimtheiten die Köpfe einschlagen, bis auf beiden Seiten keiner mehr übrig ist, denn keiner war dabei.

Fehlinterpretationen, Missverständnisse, Fälschungen und mangelnder Kontext machen eine beweiskräftige Darstellung aller Ereignisse unmöglich. Jedes Argument findet sein passendes Gegenargument, egal auf welcher Seite ich stehe.

Jeder Artikel, den ich in letzter Zeit gelesen habe, der wieder einmal unumstößlich beweist, dass die Kirche wahr oder eben nicht wahr ist, strotzt meist nur so von logischen Fehlern. „Cherry Picking“- (es werden nur die Berichte angeführt, die einen gerade in den Kram passen), „Korrelation und Kausaulzusammenhang“- (nur weil Dinge in einem Zusammenhang stehen bedingen sie noch lange nicht einander), „Non sequitur“- (Fehlschlüsse) oder oben bereits erwähnte „confirmation bias“-Fehler sind gang und gäbe.

Wie auch immer alles letztendlich zu erklären ist, werden wir vermutlich erst erfahren, wenn wir die beteiligten Akteure selbst fragen können. Doch auch Zeitzeugen sind nicht hundert prozentig zuverlässig. Sie unterliegen ihrer subjektiven Wahrnehmung. Dies äußert sich zum Beispiel bei Zeugenbefragungen. Zwei Menschen, wohnen zur gleichen Zeit demselben Ereignis bei und dennoch werden sich ihre Berichte in vielen Punkten unterscheiden. Selbst die Befragung einer einzelnen Person zu einer spezifischen Erinnerung, wird zu unterschiedlichen Zeiten in unterschiedliche Darlegungen resultieren.

Wer also die Wahrheit sucht, nämlich die absolute Wirklichkeit der Dinge, wie sie waren, wie sie sind und wie sie sein werden, muss Gott fragen. Nur die wenigsten haben diese Art der Einsicht erhalten (z.B. Mose oder Nephi), denn dies widerspricht der Natur einer Prüfung und darum sind wir ja schließlich hier.

Außerdem ist es wenig hilfreich dem Produzenten (Gott) Vorwürfe zu machen, wenn sein vollkommenes Drehbuch nicht zu hundert Prozent fehlerfrei umgesetzt wurde. Vermutlich hinkt das Beispiel an mehreren Ecken und Enden, doch versteht bitte, was ich euch sagen will. Der Regisseur (Prophet) bringt ebenso so seine eigene Persönlichkeit in den Film ein, wie die Protagonisten und Statisten (ihr dürft euch aussuchen, welcher ihr davon sein möchtet). Sich jetzt hinzustellen und den Produzenten eine lange Liste von Filmfehlern vor die Nase zu halten (in der einen Szene hat der Protagonist seine Uhr am rechten Handgelenk, in der nächsten am linken und zum Schluss fehlt sie ganz), wird diesem höchstens ein mitleidiges Lächeln abgewinnen, da er davon ausgehen muss, dass der Sinn und die Bedeutung seines Werkes missverstanden wurde.

“Es sind alles nur Menschen” mag zwar lapidar klingen, ist aber ein Fakt, welchen wir all zu oft nur uns selbst als Entschuldigung zugestehen.

Drittens und schlussendlich bleibt also der Sachverhalt zu klären, wie wir Antworten erhalten, auf Fragen, die unsere Beziehung zu Gott und unsere ewige Errettung betreffen.

Gott hat an mehreren Stellen gesagt, dass wir ihn Fragen sollen, dass wir anklopfen sollen, dass er uns keine Vorhaltungen machen wird, dass er gerne gibt. Er gab uns aber keine Garantien, sondern zu allem Überfluss Bedingungen.

Voller Glauben, ohne Zweifel, mit Dankbarkeit für die bereits erhaltene Erkenntnis, in Demut. Ich muss meinen Teil getan haben, meinen Verstand bemüht und zu kohärenten Schlussfolgerungen gelangt sein, mit der Absicht die Antwort anzunehmen und dem entsprechend zu leben.

Ihr kennt die Schriftstelle in Jakobus 1:5 bis 8: Fehlt es aber einem von euch an Weisheit, dann soll er sie von Gott erbitten; Gott wird sie ihm geben, denn er gibt allen gern und macht niemand einen Vorwurf. Wer bittet, soll aber voll Glauben bitten und nicht zweifeln; denn wer zweifelt, ist wie eine Welle, die vom Wind im Meer hin und her getrieben wird. Ein solcher Mensch bilde sich nicht ein, dass er vom Herrn etwas erhalten wird: Er ist ein Mann mit zwei Seelen, unbeständig auf all seinen Wegen.

Klingt natürlich leichter gesagt, als getan, denn der Zweifel ist kein Krebsgeschwür, sondern eine virulente Pandemie.

In Moroni 10:3 - 5 lesen wir ebenfalls etwas über die Voraussetzungen und die Aufgabe des Heiligen Geistes.

Der Heilige Geist ist etwas schwer Greifbares und daher einfach zu verwerfen. Worte werden ihm und seinem Einfluss kaum gerecht.

In Galater 5:22 - 26 heißt es: Die Frucht des Geistes aber ist Liebe, Freude, Friede, Langmut, Freundlichkeit, Güte, Treue, Sanftmut und Selbstbeherrschung; dem allem widerspricht das Gesetz nicht. Alle, die zu Christus Jesus gehören, haben das Fleisch und damit ihre Leidenschaften und Begierden gekreuzigt. Wenn wir aus dem Geist leben, dann wollen wir dem Geist auch folgen. Wir wollen nicht prahlen, nicht miteinander streiten und einander nichts nachtragen.

Ein selbst- oder fremdinduziertes “Gutes Gefühl” sollte man nicht mit dem Heiligen Geist verwechseln.

Joseph Smith sagte: ”Niemand empfängt den Heiligen Geist, ohne Offenbarungen zu empfangen.” (History of the Church, 6:58) Er nannte es den Fluss reiner Intelligenz. Die zwei Zitate aus Lehren des Propheten Joseph Smith sind ebenfalls sehr aufschlussreich:

The Holy Ghost has no other effect than pure intelligence. It is more powerful in expanding the mind, enlightening the understanding, and storing the intellect with present knowledge, of a man who is of the literal seed of Abraham, than one that is a Gentile, though it may not have half as much visible effect upon the body; for as the Holy Ghost falls upon one of the literal seed of Abraham, it is calm and serene; and his whole soul and body are only exercised by the pure spirit of intelligence; while the effect of the Holy Ghost upon a Gentile, is to purge out the old blood, and make him actually of the seed of Abraham. That man that has none of the blood of Abraham (naturally) must have a new creation by the Holy Ghost. In such a case, there may be more of a powerful effect upon the body, and visible to the eye, than upon an Israelite, while the Israelite at first might be far before the Gentile in pure intelligence.

A person may profit by noticing the first intimation of the spirit of revelation; for instance, when you feel pure intelligence flowing into you, it may give you sudden strokes of ideas, so that by noticing it, you may find it fulfilled the same day or soon; (i.e.) those things that were presented unto your minds by the Spirit of God, will come to pass; and thus by learning the Spirit of God and understanding it, you may grow into the principle of revelation, until you become perfect in Christ Jesus.

(Teachings of the Prophet Joseph Smith. p.149-150, 151)

Es geht einher mit dem, was Parley P. Pratt einmal gesagt hat:

Durch den Heiligen Geist werden die intellektuellen Fähigkeiten des Menschen, seine natürlichen Empfindungen und Vorlieben gefördert, entwickelt, veredelt und zur vollen Entfaltung geführt. Er erfüllt uns mit Tugend, Freundlichkeit, Frömmigkeit, Zartgefühl, Güte und Nächstenliebe. Er verschönt das Äußere, die Gestalt und die Gesichtszüge. Er führt zu Gesundheit, Lebenskraft, Munterkeit und Geselligkeit. Er kräftigt den Körper und den Geist. Er stärkt und festigt die Nerven. Kurz gesagt, er ist Mark für die Knochen, Freude fürs Herz, Licht für die Augen, Musik für die Ohren und Leben für das ganze Wesen.“ (Key to the Science of Theology,Salt Lake City, 1965, Seite 101.)

Die Verheißungen sind herrlich, jedoch ist die empirische Nachhaltigkeit dieser Aussagen für den Skeptiker ohne Relevanz.

Es bleibt die lebenslange Aufgabe diesem Ideal entgegen zustreben, denn Joseph Smith sagte nicht ohne Grund im letzten Satz des englischen Zitates, dass wir in dieses Prinzip hineinwachsen, bis wir in Christus vollkommen werden.

Davon sind wir noch weit entfernt, doch der Prozess ist unsere eigentliche Aufgabe hier in diesem Leben.

Im 2. Nephi 28:26-31 steht:

26 Ja, weh sei dem, der auf die Weisungen der Menschen hört und die Macht Gottes und die Gabe des Heiligen Geistes leugnet!

27 Ja, weh sei dem, der sagt: Wir haben empfangen, und wir brauchen nicht noch mehr!

28 Und schließlich, weh all denen, die zittern und zornig sind wegen der Wahrheit Gottes! Denn siehe, wer auf dem Felsen gebaut ist, nimmt sie mit Frohsinn an; und wer auf sandigem Grund gebaut ist, zittert davor, zu fallen.

29 Weh sei dem, der sagen wird: Wir haben das Wort Gottes empfangen, und wir brauchen vom Wort Gottes nicht noch mehr, denn wir haben genug!

30 Denn siehe, so spricht der Herr, Gott: Ich werde den Menschenkindern Zeile um Zeile geben, Weisung um Weisung, hier ein wenig und dort ein wenig; und gesegnet sind, die auf meine Weisungen hören und meinem Rat ihr Ohr leihen, denn sie werden Weisheit lernen; denn dem, der empfängt, werde ich mehr geben; und denen, die sprechen: Wir haben genug, denen wird selbst das weggenommen, was sie haben.

31 Verflucht ist, wer sein Vertrauen in Menschen setzt oder Fleisch zu seinem Arm macht oder auf die Weisungen der Menschen hört, außer ihre Weisungen seien durch die Macht des Heiligen Geistes eingegeben.

Die Verse beziehen sich auf diejenigen, die das Buch Mormon aufgrund der Bibel verwerfen, doch es macht die Konsequenzen deutlich, die schweren Entscheidungen folgen können, wenn wir in unserem Herzen Platz für Zweifel machen.

Vers 30 zeigt ein “einfaches” Muster auf, nämlich: dem, der empfängt wird mehr gegeben und dem der keinen Fortschritt mehr macht, wird das genommen, was er hat.

So besteht unsere Aufgabe darin im Licht zu verbleiben. LuB 50:24:

Was von Gott ist, das ist Licht; und wer Licht empfängt und in Gott verbleibt, empfängt mehr Licht; und jenes Licht wird heller und heller bis zum vollkommenen Tag.

Dies ist der einzige Ratschlag, den ich euch wirklich geben möchte: Verbleibt im Licht!

Alles andere sind eure Angelegenheiten.

Liebe Grüße,

David

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